Archiv für den Monat: Juni 2021
Veröffentlicht am 11. Juni 2021 von Dominik Niehus
In der beruflichen Aus- und Weiterbildung ist E-Learning heute eine Selbstverständlichkeit. Die Potenziale von E-Learning liegen dabei vor allem in der individuellen Adaption der Systeme an die Lernenden, der allgegenwärtigen Verfügbarkeit und der vielfältigen Nutzung von Inhalts- und Vermittlungsformen. Ermöglicht wird dies durch E-Learning-Plattformen – komplexe IT-Systeme, die die Lernenden durch die unterschiedlichen Phasen des digitalen Lernprozesses begleiten und mit den IT-Prozessen in den Unternehmen zusammenspielen.
Das Lehren und Lernen mit digitalen Medien – heute oft mit dem Namen E-Learning bezeichnet – hat sich seit seinen Anfängen vor etwa 60 Jahren stetig weiterentwickelt. Anfangs stand vor allem eine Rationalisierung im Vordergrund, um in Form von Drill & Practice Inhalte zu vermitteln und automatisiert prüfen zu können. Schon bald wurde erkannt, dass auch ein individualisiertes Lernen auf diese Weise möglich ist, bei dem sich die Lernenden nicht nur in einem von ihnen selbst gewählten Tempo, sondern auch entlang unterschiedlicher Lernpfade durch den Lehrstoff bewegen können und so stets Inhalte erhalten, die auf den jeweiligen Bedarf und die jeweiligen Vorkenntnisse zugeschnitten sind.
Ebenfalls schon früh wurden die Möglichkeiten erkannt und genutzt, dass der Lehr- und Lernprozess – im Gegensatz zum Lehrbuch – auch verschiedene Medien nutzen kann, man also nicht mehr auf eine rein textuelle und bildliche Form angewiesen ist. Bis allerdings die Technik auch so weit entwickelt war, dass dies unter alltagspraktischen Bedingungen und nicht nur in Universitäten oder sehr großen Unternehmen mit hohem Aufwand in Bezug auf Hardware, Räumlichkeiten und personellen Support genutzt werden konnte, dauerte es bis in die 1990er Jahre – nicht umsonst war das Wort des Jahres 1995 in Deutschland „Multimedia“.
In diese Zeit fiel dann auch der nächste wichtige Schritt: Auch die Vernetzung verbreitete sich derart, dass nun nach und nach auch Schulen, kleinere Unternehmen und private Haushalte das Internet nutzen konnten. Mindestens ebenso wichtig wie die Kabel und die Bandbreiten sind dabei die Dienste, die über das Netz angeboten werden. Neben E-Mail ist da insbesondere das World Wide Web (WWW) zu nennen, das für viele synonym mit „dem Internet“ ist. Mit seiner Verbreitung in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre begann eine digitale Transformation, deren Ende noch lange nicht erreicht ist. Ursprünglich konzipiert als ein System, mit dem Wissenschaftler auf Daten an weit entfernten Forschungseinrichtungen, mit denen sie kooperieren, zugreifen können, entdeckten bald auch Unternehmen dessen Wert, zunächst als Plattform, mit der man sich auch in diesem neuen Medium präsentieren konnte – die Homepage und die Website waren geboren. Auch statische Lernangebote konnten auf diese Weise verbreitet werden.
Mit der rasanten Weiterentwicklung des World Wide Web traten allerdings neue Möglichkeiten in den Vordergrund, nämlich insbesondere die Interaktivität. Durch sie wird es möglich, dass sich die Aktivitäten der Nutzer nicht mehr auf das Anklicken von Angeboten beschränken müssen, sondern dass sie in vielfältiger Weise mit den Web-Plattformen interagieren können. Genutzt wurde dies zunächst für Forschung und Lehre, wo vor allem Universitäten nun das interaktive vernetzte Lernen erprobten. Auch der Online-Handel und Online-Auktionen wurden recht bald entwickelt, vor allem aber entstanden die Anfänge dessen, was wir heute als Social Media bezeichnen: Dienste, die sich durch so genannten „User Generated Content“ definieren, die also selber keine eigenen inhaltlichen Angebote machen, sondern eine Plattform bereitstellen, auf der Nutzer Inhalte erstellen und verbreiten können.
Seit seinen Anfängen hat sich das Lernen mit digitalen Medien daher grundlegend verändert und mit den technischen Möglichkeiten – die oft schon lange vorhanden waren, aber noch nicht reif für die Alltagpraxis – haben sich auch neue didaktische Möglichkeiten ergeben. Wenn wir heute über E-Learning sprechen, spielen alle zuvor genannten Aspekte zusammen: Die Möglichkeit der Rationalisierung, Automatisierung und Individualisierung der Stoffvermittlung und Prüfung, die Multimedialität, die Vernetzung und die Interaktion.
Die technischen Möglichkeiten sind zunächst einmal nur Potenziale, die es zu realisieren gilt. Vor allem auf den „Multimedia-Hype“ folgte nach 1995 schon bald die große Ernüchterung, je mehr man sich des Umstands bewusst wurde, dass hochqualitative Multimedia noch viel aufwändiger zu produzieren ist als ein hochwertiges Buch. Vor allem für kleinere Unternehmen stellt sich dies auch heute noch als eine gewaltige Hürde dar, die man überwinden kann, indem man Kurse „von der Stange“ kauft oder indem man gewissermaßen „multimediale Produktionsgenossenschaften“ bildet: Man tut sich mit anderen zusammen, die sehr ähnliche Inhalte benötigen – und idealerweise bietet die E-Learning-Plattform dennoch den Zuschnitt als „Maßanzug“ durch spezifische Anpassungen an das jeweilige Unternehmen an. Auf diese Weise lassen sich die Aufwände für die Produktion und Weiterentwicklung von Kursen ohne Qualitätsverlust stark reduzieren.
Auch die Erstellung der Lerninhalte selber ist natürlich von zentraler Bedeutung. Sie ist vor allem eine interdisziplinäre Herausforderung: Ausgehend von der spezifischen Fachdisziplin erfolgt nach der ersten Erstellung eine didaktische Aufbereitung sowie die medienpädagogische Umsetzung und die technische Realisierung. Was wie eine einfache Sequenz von vier Phasen klingt, ist tatsächlich ein verzahnter Prozess, bei dem die unterschiedlichen Beteiligten zusammenwirken müssen. Für all diese Arbeiten stehen separate technische Werkzeuge zur Verfügung, um eine optimale Unterstützung zu gewährleisten. Dabei handelt es sich teilweise um Standardanwendungen wie Office-Programme, Programme für die Produktion und den Schnitt von Videos oder – gerade in einer Zeit, in der die Zusammenarbeit nicht in realen Begegnungen erfolgen kann – Kommunikationsplattformen. Vor allem aber kommen auch Eigenentwicklungen zum Einsatz wie beispielsweise ein Kurseditor, der die schnelle Erstellung und Überarbeitung von Inhalten und insbesondere die Pflege unterschiedlicher Varianten, die an die jeweiligen Unternehmen angepasst sind, unterstützt.
Der Lernprozess kann ebenfalls geeignet unterstützt werden – und das idealerweise überall: Wo immer jemand Zeit und Gelegenheit findet zu lernen, sollte ihm das auch möglich sein. Daher unterstützen gute Lernplattformen auch unterschiedliche Endgeräte und sind auch dann noch gut nutzbar, wenn die Bandbreite des Netzes nicht optimal ist.
Für Lernenden muss transparent sein, was sie überhaupt und was sie als nächstes lernen sollen oder wollen könnten. Sie müssen also ein für sie geeignetes Angebot zur Verfügung haben, das entweder von jemandem im Unternehmen – einem E-Learning Coach – passend zu den Erfordernissen im Unternehmen und den Interessen des jeweiligen Mitarbeiters bereitgestellt wird, oder über ein Assessment teil- oder vollautomatisiert zur Verfügung gestellt wird. Wenn der Kurs durchgearbeitet wird, kann der Lernfortschritt erhoben werden und so der Lernprozess auch unterbrochen und später an der geeigneten Stelle fortgesetzt werden; eine freie Navigation im Kurs ermöglicht es den Lernenden, ihr eigenes Lerntempo zu wählen und auch Dinge noch einmal nachzulesen, wenn ihnen später auffällt, dass sie etwas nicht verstanden haben.
Kurse bestehen häufig aus einer Abfolge von Inhalten, die aufeinander aufbauen – wie man das aus einem Buch kennt. Zwar gibt es auch Ansätze für stärker vernetzte, nicht-lineare Kursinhalte, von denen sich die didaktische Forschung viel versprochen hat, die aber in der Praxis von vielen Lernenden weniger geschätzt werden. Die Ursachen dafür sind nicht gänzlich klar, aber eine Rolle spielt wohl, dass Lernende dadurch schlechter einschätzen können, was sie lernen sollen und ob sie eventuell etwas wichtiges verpasst haben. Vor allem schwächere Lernende fühlen sich hier häufig überfordert. Eine sequentielle Darbietung mit Navigationsmöglichkeiten erweist sich daher meist als die beste Lösung, wobei durchaus auch optionale Inhalte, die dann entsprechend gekennzeichnet sind, enthalten sein können. Jeder einzelne Abschnitt kann zudem mit einer Selbstreflexion oder sogar schon einem Zwischentest abgeschlossen werden, so dass die Lernenden unmittelbar feststellen können, ob sie die Lehrziele erreicht haben.
Den Abschluss eines Kurses bildet in der Regel eine Prüfung. In aller Regel kommen hier automatisierte Tests zur Anwendung, aber auch komplexer zu bewertende Aufgaben können erstellt werden – die dann allerdings eine manuelle und damit aufwändigere Bewertung erfordern. Mündliche Prüfungen sind über eine Videoverbindung – auch ohne Zugang zu einem der bekannten Plattformanbieter und ohne Datenübertragung in das außereuropäische Ausland (und damit datenschutzkonform) – ebenfalls möglich.
Mit dem Kurs ist allerdings das E-Learning noch nicht abgeschlossen. Denn idealerweise gibt es ja mehr als einen Kurs im Unternehmen und ein insgesamt durchdachtes E-Learning-Konzept, bei dem es unterschiedliche Curricula für verschiedene Mitarbeiter oder Gruppen gibt – so werden manche Kurse für alle Mitarbeiter wichtig sein, andere nur für diejenigen, die in der Produktion oder im Verkauf tätig sind. Ein E-Learning-Koordinator (oder in einem großen Unternehmen auch ein Team von solchen) ist dann in der Lage, spezifisch für eine Tätigkeit oder einen Mitarbeiter ein Programm aus mehreren Kursen zusammenzustellen, deren Inhalte in geeigneter Weise aufeinander aufbauen können. Neben „klassischen“ Kursen, die mehr oder weniger umfangreiche Inhalte vermitteln, können das auch „Micro-Kurse“ sein, die nur einzelne Sachverhalte schulen und schnell durchgearbeitet werden können. Regelmäßig durchzuführende Schulungen – beispielsweise eine jährliche Auffrischung – können ebenfalls geplant werden. So kann ein Schulungsplan für einzelne Tätigkeitsbereiche aufgestellt werden, der dann für die einzelnen Mitarbeiter weiter individualisiert werden kann – der Weg zur unternehmensinternen „Akademie“ ist dann nicht mehr weit. Wie weit ein Unternehmen auf diesem Weg geht, kann es jederzeit selber entscheiden.
Damit all dies möglich ist, benötigt eine E-Learning-Plattform eine weitere Komponente, die eher im Hintergrund werkelt – wir nennen sie ganz profan Benutzerverwaltung. Trotz dieses langweiligen und eher technischen Namens spielt sie eine zentrale Rolle, denn über sie werden die Lehrenden und Lernenden ihren jeweiligen Rollen zugeordnet, die in dem jeweiligen Unternehmen existieren. Das können die Mitarbeiter in der Produktion, die im Verkauf, aber auch die in einer bestimmten Filiale oder die mit spezifischem Förderbedarf sein – beispielsweise kann ein Sprachkurs für Mitarbeiter aus einem bestimmten Sprachraum angeboten werden.
Außerdem wird hier nachgehalten, wer welche Prüfungen mit welchem Erfolg wann zuletzt abgeschlossen hat. Dabei muss auf Datenminimalität geachtet werden: Nur die Daten werden gespeichert, die auch tatsächlich erforderlich sind. Ob ein Mitarbeiter lieber morgens um 5 Uhr oder abends um 23 Uhr lernt oder den Kurs an einem Stück oder mit mehreren Pausen durchgearbeitet hat, gehört nicht dazu. Hingegen sind die erhobenen Informationen erforderlich, um die individuellen Schulungsprogramme erstellen zu können und nachzuschulen, wo dies erwünscht oder erforderlich ist. Auch für die Mitarbeiter ist dies nützlich, denn sie erhalten ein digitales E-Learning-Nachweisheft, in dem dokumentiert ist, welche Kurse sie mit welchem Ergebnis absolviert haben.
Eine weitere wichtige Eigenschaft der Benutzerverwaltung ist die Integration mit den Unternehmensprozessen. Dies beginnt damit, dass über geeignete Schnittstellen Daten aus Unternehmenssystemen an die E-Learning-Plattform übertragen werden können – natürlich abgesichert und nur die Daten, von denen das gewünscht ist. Die Benutzerverwaltung kann dann beispielsweise Anschreiben für einzelne oder alle Mitarbeiter oder spezifische Gruppen erstellen (tatsächlich müssen diese Anschreiben nicht einmal etwas mit E-Learning zu tun haben, sondern können die IT-Prozesse im Unternehmen auch anderweitig ergänzen). In umgekehrter Richtung können Informationen an andere Systeme, die im Unternehmen eingesetzt werden, zurückgegeben werden, beispielsweise über absolvierte Prüfungen. So erhält das Unternehmen wahlweise in der E-Learning-Plattform oder integriert in die vorhandenen Systeme einen Nachweis beispielsweise über Schulungen, zu denen das Unternehmen verpflichtet ist. Und selbstverständlich kann man auch Incentives mit diesen Daten verknüpfen, um so Mitarbeiter, die Schulungen freiwillig oder besonders gut absolvieren, weiter zu motivieren.
Das vergangene Jahr hat die Bedeutung der digitalen Medien, der Plattformen und der Vernetzung wohl in das Bewusstsein aller Unternehmen, aber auch jedes Einzelnen gerufen. Manche Unternehmen konnten sich hier schnell anpassen, weil sie zwar nicht für eine Pandemie geplant hatten, sich aber zeigte, dass sie aufgrund der bei ihnen bereits in wesentlichen Teilen umgesetzten Digitalisierung recht gut aufgestellt waren und sich schnell anpassen konnten. Auch E-Learning hat hier noch einmal einen deutlichen Schub bekommen. Da aber E-Learning längst nicht alle Formen des Lehrens und Lernens ersetzen kann, stellt die fehlende Möglichkeit zur Präsenz aber natürlich dennoch ein Problem dar.
Hier geeignete technische und didaktische Konzeptionen zu finden, ist zu guten Teilen noch Neuland, aber notgedrungen konnte man hier im letzten Jahr viel lernen. Dementsprechend sind Maßnahmen und Methoden, die zuvor eher experimentell eingesetzt wurden, nunmehr besser erprobt und an der Schwelle zur Alltagstauglichkeit. Die Integration von synchroner Kooperation durch Audio- und Videokonferenzen ist auch für größere Gruppen möglich, auch wenn es an verschiedenen Stellen noch hakt: Von der Netzanbindung über die Audio- und Videoqualität bis hin zur Datenschutzkonformität. Vor allem aber stellt sich die Frage nach geeigneten Methoden der „Online-Didaktik“. Auch hier liegen nun vielfältige Erfahrungen vor, aber ein „one best way“ ist nicht in Sicht, so dass es hier gilt, selber zu experimentieren, was für das jeweilige Unternehmen und die jeweiligen Mitarbeiter geeignete Konzepte sind. Hilfreich ist es dafür, mit einem Partner zusammenzuarbeiten, der die Alternativen kennt und mit dem man bei der Auswahl bzw. Entwicklung kooperieren kann – und natürlich braucht es eine E-Learning-Plattform, die es ermöglicht, die Konzepte umzusetzen.
Über die Autoren
Dominik Niehus und Harald Selke sind Gründer und Geschäftsführer der coactum GmbH, eines Anbieters von individuellen IT-Lösungen mit einem Schwerpunkt im Bereich E-Learning. Das Unternehmen ist eine Ausgründung aus dem Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn. Die Autoren arbeiteten dort in Forschungsprojekten im Kontext von E-Learning mit einer Vielzahl von Bildungspartnern zusammen.
Forschungsnähe ist für die coactum GmbH weiterhin hoch relevant, da der technologische Fortschritt, der Wandel von Bildungskonzepten und nicht zuletzt die Erfahrungen des vergangenen Jahres ein ständiges Nachjustieren von E-Learning notwendig machen. Derzeit ist sie unter anderem Partner in dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und der Initiative „IT-Sicherheit in der Wirtschaft“ geförderten Projekt „KMU. Einfach Sicher.“. Dort besteht das Ziel darin, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in die Lage zu versetzen, ihre IT-Sicherheit eigenständig zu verbessern, ohne Hürden in Form von langwierigen, kostenintensiven und oftmals komplizierten Angeboten nehmen zu müssen. Die coactum GmbH entwickelt und pflegt die Weiterbildungsplattform für dieses Projekt.
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